Willst du Blumen, kauf dir welche by Berg Ellen

Autor:Berg, Ellen [Berg, Ellen]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik_Allgemein, Humor_Witz
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2020-10-13T00:00:00+00:00

Schaukelnd setzte sich der Bus in Bewegung. Erst als Lena in ihrer Tasche kramte, stellte sie fest, dass sie die Dornenvögel vergessen hatte. Fast panisch suchte sie weiter. Das konnte doch nicht sein! Ohne Buch fühlte sie sich nackt. Doch so lange sie auch wühlte und kramte, es blieb dabei: Die einzige Ablenkung auf der Busfahrt würde der Ausblick in die dämmrige Landschaft und auf zwei kichernde junge Mädchen sein, die in Lederjacken, bunten Minikleidern und Sandaletten mit bleistiftdünnen Absätzen auf der Sitzbank gegenüber saßen. Es ging um irgendwelche C-Promis und deren Instagram-Accounts, wie Lena mitbekam, wobei unablässig Wörter wie »hustlen«, »lit«, »cringe« und »cornern« fielen. Sie verstand kein Wort.

Hey, ihr denkt vielleicht, ich bin eine alte Schachtel, hätte sie am liebsten rausposaunt, aber stellt euch vor, ich habe ein Date mit einem Online-Flirt! Ja, auch ich kann Internet! Laut ausgesprochen hätte es allerdings wie lächerliche Angeberei geklungen.

Nachdenklich sah Lena den beiden Teenagern zu. Vielleicht brach ja wirklich eine neue Ära an. Vielleicht sollte Aschenputtel die gläsernen Schuhe an den Nagel hängen und nicht länger auf den Prinzen warten. Vielleicht war Liebe tatsächlich so etwas wie ein Instantgefühl, das man im Internet fand: heißes Wasser drauf, umrühren, fertig.

Ihre Brust hob und senkte sich, als sie ihr Handy hervorzog und noch einmal den Chat mit Lennart überflog. Er hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er »was Festes« wollte. Während sich die beiden Teenager gegenüber im Aufzählen englischer Begriffe und im Verfertigen faustgroßer Kaugummiblasen überboten, versuchte sie noch einmal, zwischen den Zeilen der Chatnachrichten zu lesen.

Lennart war ein ernst zu nehmender Kandidat, keine Frage. Seine Lektüreliste war beeindruckend, seine Ausdrucksweise gewandt, und die Profilfotos, nun ja, erinnerten an altmodische Werbeplakate für Herrenparfüms. Fehlte nur noch das Brusthaartoupet. Das Telefonat war jedoch gut gelaufen. Angenehme Stimme, angemessene Wortwahl. Durchaus verheißungsvoll, dieser Lennart.

Die beiden jungen Mädchen versuchten sich gerade an einer »Chinning Challenge«, was offenkundig bedeutete, Selfies mit künstlich erzeugtem Doppelkinn zu fabrizieren, als Lena aussteigen musste.

Es war ein lauer Abend für Anfang September, da und dort saßen Leute in den Straßencafés. Zaudernd stiefelte sie los. Ihr Herz konnte sich noch nicht ganz zwischen Vorfreude und Zweifel entscheiden, denn ihr Hirn produzierte unaufhörlich Sätze wie: Ich hoffe, er ist kein Serienkiller. Ich hoffe, er macht keine anzüglichen Bemerkungen. Ich hoffe, er lädt mich ein – nicht wegen des Geldes, sondern wegen der Ritterlichkeit. Beim zweiten Date revanchiere ich mich dann, indem ich ihn einlade. Falls es ein zweites Date gibt.

Nach wenigen Schritten kam das kleine Ristorante in Sicht, in dem sie Lennart treffen würde. Es war ein einfaches Lokal. Man musste kein Vier-Gänge-Menü bestellen, um von den Kellnern freundlich behandelt zu werden. Wäre ja auch zu blöd gewesen, ganze vier Gänge bis zum Dessert durchhalten zu müssen, wenn sich Lennart schon bei der Vorspeise als Niete entpuppte.

Wenngleich Lena pünktlich war, drehte sie noch eine Ehrenrunde vor den Schaufenstern der umliegenden Geschäfte, um ein bisschen Zeit zu schinden. Immer wieder sah sie zur Uhr. Sieben Minuten zu spät, das erschien ihr angemessen. Als die Frist

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